Porträt Dr. Paul Asteroth, aus VOX  Nr. 11, 1964

"Vernehmung zur Person"
Geboren wurde ich als Sohn eines Oberpostsekretärs an der Oberpostdirektion in Aachen, aber meiner Abstammung nach bin ich Hesse. Am ersten Tag meiner ersten Großen Ferien brach der 1. Weltkrieg aus, der eine frohe und unbeschwerte Kindheit jäh beendete. Denn er brachte Entbehrungen, Hunger und Angst vor den Bomben mit sich. Er ging über in die "Goldenen Zwanziger Jahre", die für uns aber Verlust des elterlichen und großelterlichen Vermögens und den latenten, manchmal auch offenen Bürgerkrieg bedeuteten. Ihm folgte die Zeit des Nationalsozialismus mit seinen Drangsalen und Kirchenverfolgungen, die dann in den Stürmen des 2. Weltkrieges ihr Ende fand. Von diesen großen Ereignissen ist auch mein Leben weitgehend bestimmt worden.

Die Schulzeit
Ich bin gern zur Schule gegangen, obwohl es damals dort noch nicht die "Weiche Welle" von heute gab. Nach drei Jahren Vorschule kam ich in die Sexta des Gymnasiums in der Kreuzgasse in Köln, wohin wir inzwischen gezogen waren. Es war unter seinem Direktor Niederlaender als das "Zuchthaus" bekannt. Vor dem "Chef" haben wir noch als Oberprimaner gezittert, wenn er die Klasse betrat. Und "Bubi", "Roß", "Faß" und "Speumanes" standen ihm in nichts nach. Aber wir haben dort das Wichtigste gelernt: daß man arbeiten muß, und wie man arbeiten muß. Schön war, daß es neben den offiziellen Fächern eine ganze Reihe von Handwerkskursen gab, Schreinerei, Schlosserei, Dreherei, Drechslerei und Buchbinderei. Ich selbst bin "gelernter" Buchbinder. Auch Steno und Technisches Zeichnen waren Angelegenheit der Schule. Ehrensache, dabei mitzumachen.

Sport
Auch der Sport lag in den Händen der Schule. Die Anhänger der verschiedenen Sportarten waren in Schülervereinen zusammengeschlossen, so daß man nur wenig mit den außerhalb der Schule bestehenden Vereinen in Berührung kam. Mein eigener Sport? Schwimmen, Wandern, Geräteturnen und Rudern. Auf diese Weise füllte die Schule fast unser ganzes Dasein als Schüler aus.

Musik
Zu Hause mußte ich Klavier spielen lernen - das war hart. Aber für unser Schülerorchester lernte ich dann noch Geige und habe auch wohl in der Bratsche ausgeholfen. Dem Orchester und nachher als Primaner unserem Kammerorchester, einem "Auszug" des großen Orchesters, verdanke ich viele schöne Stunden und Anregungen. Unser besonderer Stolz war, daß in unserem Orchester alle Stimmen eines richtigen Symphonieorchesters besetzt waren. Von dort her bin ich schließlich zur Orgel gekommen, die mein Lieblingsinstrument wurde.

Der Beruf
Nach dem Abitur studierte ich Theologie und Philologie (Geschichte, Latein, Griechisch) nebeneinander. Durch die Arbeit im Schülerbibelkreis und dem CVJM kam ich auch mit der Jugendbewegung in Berührung, die mich stark beeinflußt hat. Meine Ausbildungszeit als Pastor lehrte mich in Köln-Deutz, dem Heinefeld in Düsseldorf und in Essen-Bergeborbeck das ganze Elend der Arbeitslosigkeit kennen, als Religionslehrer an Essener Berufsschulen sah ich die innere und äußere Verwilderung der Jugend. Dann kam die "Machtübernahme" und der Kirchenkampf. Weil ich mich der Gleichschaltung nicht fügte, wurde ich fristlos entlassen. So kam ich zur "Bekennenden Kirche" und gedenke noch voll Bewunderung der Standhaftigkeit und Glaubenstreue so vieler tapferer Christen. Ich lernte die Angst kennen, wenn man zum" Rathaus" bestellt wurde und nicht wußte, ob man jemals wiederkommen würde. 1935 wurde ich als Pfarrer an den Niederrhein gewählt. Das war eine neue Welt für mich, als Großstädter in einer Bauerngemeinde zu leben. Das schreckliche Leid des zweiten Weltkrieges schweißte uns in besonderer Weise zusammen. Nach dem Zusammenbruch, als auch die Schulen allmählich wieder geordnet arbeiten konnten, wurde ich von der Leitung der Kirche beauftragt, mich als Religionslehrer zu melden. Ich hatte inzwischen mein philologisches Staatsexamen gemacht und promoviert. Jetzt galt es, noch das Assessorenexamen zu machen. Danach bin ich nach Rheinhausen gekommen.

Schluß
So kam er zu unserer Schule, wo er 1951 seine Assessorenprüfung machte. Heute unterrichtet er neben Religion auch Latein, Geschichte und Gemeinschaftskunde. Auch als Lehrer ist Herr Dr. Asteroth bemüht, zu helfen. Wir fragten ihn nach seinen Hobbies, die er heute noch hat, und er antwortete uns: "meine Arbeit". Besonders gerne beschäftigt er sich mit der Geschichte der Weimarer Republik und mit zeitgenössischen Problemen.

 

Herr Studiendirektor Dr. Paul Asteroth verabschiedet (aus "Unsere Schulgemeinde" 1973)

Mit Ablauf des Schuljahres 1972/73 trat Herr Studiendirektor Dr. Paul Asteroth in den wohlverdienten Ruhestand, nachdem er, wie in einem der vorigen Hefte berichtet, im Jahre 1971 das seltene Fest des 40jährigen Dienstjubiläums hatte feiern können.

Am 1. April 1951 begann Dr. Asteroth seine Lehrtätigkeit am Rheinhauser Gymnasium in den Fächern Latein, Geschichte und ev. Religion. Er hatte seine Wohnung zunächst noch in Alpen und mußte täglich die weite Fahrt in einem Opel-Olympia zurücklegen, der, dem Gerücht nach, von der ehemaligen Wehrmacht stammte und bald unter technisch versierten Schülern einen sagenhaften Ruf genoß, weil die Tatsache, daß er immer noch fahrbereit war, fast an ein Wunder grenzte. So hatte Dr. Asteroth schon auf Grund seiner Fahrkünste einen gewissen Respekt bei seinen Schülern. Aber sehr bald erwarb er sich große Achtung durch fundierte Kenntnisse in allen Bereichen, nicht nur in seinen Fächern.
Sein Prinzip war es, den Dingen auf den Grund zu gehen. So basierte sein Geschichtsunterricht auf intensiven Quellenstudien, besonders der so schwer zugänglichen Wirtschaftsgeschichte. Er versuchte in seinen Schülern die Einsicht zu wecken, daß nur genaue Kenntnisse der Tatsachen ein richtiges Urteil erlauben. Kritisch verfolgte er Tendenzen der gegenwärtigen Entwicklung und wies in tiefer Besorgnis auf mögliche Gefahren hin. Im Religionsunterricht und als Prediger in den Schulgottesdiensten vertrat Dr. Asteroth konsequent den Anspruch Gottes an den Menschen. Aber er war nie in konfessioneller Enge befangen, so daß er auch seinen katholischen Kollegen ein offener Gesprächspartner war. Im Kreise der Lehrer war er geschätzt wegen seiner Kollegialität. Er wurde oft um Rat gefragt, besonders von den jüngeren Kollegen. Er liebte das Gespräch, auch das Streitgespräch, das er aber immer in konzilianter Weise führte. Hinter all seiner pädagogischen Arbeit stand letztlich die Liebe zu seinen Schülern. Daß sie das spürten, beweist die Anhänglichkeit, die alle seine Ehemaligen ihm bis heute bewahrt haben.

Sein Ausscheiden aus unserer Schule hat eine spürbare Lücke hinterlassen. Kollegen, Schüler und Eltern wünschen ihm noch viele Jahre eines erfüllten Ruhestandes bei guter Gesundheit.
Steinmann