"Vernehmung zur Person"
Geboren wurde ich als Sohn eines Oberpostsekretärs an der
Oberpostdirektion in Aachen, aber meiner Abstammung nach bin ich Hesse. Am
ersten Tag meiner ersten Großen Ferien brach der 1. Weltkrieg aus, der
eine frohe und unbeschwerte Kindheit jäh beendete. Denn er brachte
Entbehrungen, Hunger und Angst vor den Bomben mit sich. Er ging über in
die "Goldenen Zwanziger Jahre", die für uns aber Verlust des
elterlichen und großelterlichen Vermögens und den latenten, manchmal
auch offenen Bürgerkrieg bedeuteten. Ihm folgte die Zeit des
Nationalsozialismus mit seinen Drangsalen und Kirchenverfolgungen, die
dann in den Stürmen des 2. Weltkrieges ihr Ende fand. Von diesen großen
Ereignissen ist auch mein Leben weitgehend bestimmt worden.
Die Schulzeit
Ich bin gern zur Schule gegangen, obwohl es damals dort noch nicht die
"Weiche Welle" von heute gab. Nach drei Jahren Vorschule kam ich
in die Sexta des Gymnasiums in der Kreuzgasse in Köln, wohin wir
inzwischen gezogen waren. Es war unter seinem Direktor Niederlaender als
das "Zuchthaus" bekannt. Vor dem "Chef" haben wir noch
als Oberprimaner gezittert, wenn er die Klasse betrat. Und
"Bubi", "Roß", "Faß" und "Speumanes"
standen ihm in nichts nach. Aber wir haben dort das Wichtigste gelernt: daß
man arbeiten muß, und wie man arbeiten muß. Schön war, daß es neben
den offiziellen Fächern eine ganze Reihe von Handwerkskursen gab,
Schreinerei, Schlosserei, Dreherei, Drechslerei und Buchbinderei. Ich
selbst bin "gelernter" Buchbinder. Auch Steno und Technisches
Zeichnen waren Angelegenheit der Schule. Ehrensache, dabei mitzumachen.
Sport
Auch der Sport lag in den Händen der Schule. Die Anhänger der
verschiedenen Sportarten waren in Schülervereinen zusammengeschlossen, so
daß man nur wenig mit den außerhalb der Schule bestehenden Vereinen in
Berührung kam. Mein eigener Sport? Schwimmen, Wandern, Geräteturnen und
Rudern. Auf diese Weise füllte die Schule fast unser ganzes Dasein als
Schüler aus.
Musik
Zu Hause mußte ich Klavier spielen lernen - das war hart. Aber für unser
Schülerorchester lernte ich dann noch Geige und habe auch wohl in der
Bratsche ausgeholfen. Dem Orchester und nachher als Primaner unserem
Kammerorchester, einem "Auszug" des großen Orchesters, verdanke
ich viele schöne Stunden und Anregungen. Unser besonderer Stolz war, daß
in unserem Orchester alle Stimmen eines richtigen Symphonieorchesters
besetzt waren. Von dort her bin ich schließlich zur Orgel gekommen, die
mein Lieblingsinstrument wurde.
Der Beruf
Nach dem Abitur studierte ich Theologie und Philologie (Geschichte,
Latein, Griechisch) nebeneinander. Durch die Arbeit im Schülerbibelkreis
und dem CVJM kam ich auch mit der Jugendbewegung in Berührung, die mich
stark beeinflußt hat. Meine Ausbildungszeit als Pastor lehrte mich in Köln-Deutz,
dem Heinefeld in Düsseldorf und in Essen-Bergeborbeck das ganze Elend der
Arbeitslosigkeit kennen, als Religionslehrer an Essener Berufsschulen sah
ich die innere und äußere Verwilderung der Jugend. Dann kam die
"Machtübernahme" und der Kirchenkampf. Weil ich mich der
Gleichschaltung nicht fügte, wurde ich fristlos entlassen. So kam ich zur
"Bekennenden Kirche" und gedenke noch voll Bewunderung der
Standhaftigkeit und Glaubenstreue so vieler tapferer Christen. Ich lernte
die Angst kennen, wenn man zum" Rathaus" bestellt wurde und
nicht wußte, ob man jemals wiederkommen würde. 1935 wurde ich als
Pfarrer an den Niederrhein gewählt. Das war eine neue Welt für mich, als
Großstädter in einer Bauerngemeinde zu leben. Das schreckliche Leid des
zweiten Weltkrieges schweißte uns in besonderer Weise zusammen. Nach dem
Zusammenbruch, als auch die Schulen allmählich wieder geordnet arbeiten
konnten, wurde ich von der Leitung der Kirche beauftragt, mich als
Religionslehrer zu melden. Ich hatte inzwischen mein philologisches
Staatsexamen gemacht und promoviert. Jetzt galt es, noch das
Assessorenexamen zu machen. Danach bin ich nach Rheinhausen gekommen.
Schluß
So kam er zu unserer Schule, wo er 1951 seine Assessorenprüfung machte.
Heute unterrichtet er neben Religion auch Latein, Geschichte und
Gemeinschaftskunde. Auch als Lehrer ist Herr Dr. Asteroth bemüht, zu
helfen. Wir fragten ihn nach seinen Hobbies, die er heute noch hat, und er
antwortete uns: "meine Arbeit". Besonders gerne beschäftigt er
sich mit der Geschichte der Weimarer Republik und mit zeitgenössischen
Problemen.
Herr Studiendirektor Dr.
Paul Asteroth verabschiedet (aus "Unsere
Schulgemeinde" 1973)
Mit Ablauf des Schuljahres 1972/73 trat Herr
Studiendirektor Dr. Paul Asteroth in den wohlverdienten Ruhestand, nachdem
er, wie in einem der vorigen Hefte berichtet, im Jahre 1971 das seltene
Fest des 40jährigen Dienstjubiläums hatte feiern können.
Am 1. April 1951 begann Dr. Asteroth seine Lehrtätigkeit
am Rheinhauser Gymnasium in den Fächern Latein, Geschichte und ev.
Religion. Er hatte seine Wohnung zunächst noch in Alpen und mußte täglich
die weite Fahrt in einem Opel-Olympia zurücklegen, der, dem Gerücht
nach, von der ehemaligen Wehrmacht stammte und bald unter technisch
versierten Schülern einen sagenhaften Ruf genoß, weil die Tatsache, daß
er immer noch fahrbereit war, fast an ein Wunder grenzte. So hatte Dr.
Asteroth schon auf Grund seiner Fahrkünste einen gewissen Respekt bei
seinen Schülern. Aber sehr bald erwarb er sich große Achtung durch
fundierte Kenntnisse in allen Bereichen, nicht nur in seinen Fächern.
Sein Prinzip war es, den Dingen auf den Grund zu gehen. So basierte sein
Geschichtsunterricht auf intensiven Quellenstudien, besonders der so
schwer zugänglichen Wirtschaftsgeschichte. Er versuchte in seinen Schülern
die Einsicht zu wecken, daß nur genaue Kenntnisse der Tatsachen ein
richtiges Urteil erlauben. Kritisch verfolgte er Tendenzen der gegenwärtigen
Entwicklung und wies in tiefer Besorgnis auf mögliche Gefahren hin. Im
Religionsunterricht und als Prediger in den Schulgottesdiensten vertrat
Dr. Asteroth konsequent den Anspruch Gottes an den Menschen. Aber er war
nie in konfessioneller Enge befangen, so daß er auch seinen katholischen
Kollegen ein offener Gesprächspartner war. Im Kreise der Lehrer war er
geschätzt wegen seiner Kollegialität. Er wurde oft um Rat gefragt,
besonders von den jüngeren Kollegen. Er liebte das Gespräch, auch das
Streitgespräch, das er aber immer in konzilianter Weise führte. Hinter
all seiner pädagogischen Arbeit stand letztlich die Liebe zu seinen Schülern.
Daß sie das spürten, beweist die Anhänglichkeit, die alle seine
Ehemaligen ihm bis heute bewahrt haben.
Sein Ausscheiden aus unserer Schule hat eine spürbare
Lücke hinterlassen. Kollegen, Schüler und Eltern wünschen ihm noch
viele Jahre eines erfüllten Ruhestandes bei guter Gesundheit.
Steinmann
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