Nachdem man das Hindernis der Vorzimmerdame hinter der Schranke genommen hat - nach vielen vergeblichen Versuchen, versteht sich - schließt sich endlich die gepolsterte Tür hinter der Redaktion, und man kann sich aufatmend in die grünen Bezüge des Sofas im oberstudiendirektörlichen Dienstraum niederlassen - übertriebene Eile, ganz oder gar Pracht herrscht hier drinnen wahrhaftig nicht! Auch keine Ruhe - "Also los, Kinder, schnell, Zeit habe ich natürlich überhaupt keine, was wollt ihr wissen, was wollt ihr bringen?" Man ist einem solchen Ansturm von Aktivität und Temperament so schnell gar nicht gewachsen: die Brillengläser funkeln, die Augen dahinter blitzen - ist es nicht ein ironisches Augenzwinkern, was man da sah - oder? Man hat keine Zeit, darüber nachzugrübeln, man stottert bescheiden und etwas unbedarft, und ehe man sich versieht, sitzen da drei Redakteure und schreiben, schreiben und wechseln sich dabei ab, um den Schreibkrampf zu vermeiden und alles mitzubekommen. 


Und das ist das Ergebnis: Ein Lebenslauf in Stichworten, von dem wir glauben,. daß er als Selbstporträt gelten kann, dem wir nichts mehr hinzufügen können: 


"Geboren bin ich in einem kleinen Dorf in der Provinz Posen im Jahre 1907.
In die Volksschule kam ich 1913. Schulweg: 4 km durch Felder zur nächsten Stadt. 1917 Eintritt in die Sexta in der 12 km entfernten Kreisstadt. Schulweg: 5 km zur Bahn, 7 km Eisenbahnfahrt, 3 km vom Bahnhof bis zum Gymnasium. Da die Schule im Sommer um 7 Uhr begann, bedeutete das: Aufstehen um 4.30 Uhr. Im Kriege gab es aber Sommerzeit, so daß der Sextaner nach unserer Uhr um 3.30 Uhr aufstehen mußte.
1918 kam der Krieg auch zu uns, unser Dorf war von polnischen Truppen besetzt; die Stadt, in der ich das Gymnasium besuchte, von deutschen Truppen. Ein Jahr lang konnten wir überhaupt nicht zur Schule gehen. Weihnachten 1919 durften wir über die Grenze zur Gymnasialstadt. Ich wohnte dort bei Verwandten. Alle zwei Wochen durften wir sonntags zur Grenze marschieren um dort vielleicht die Eltern zu finden. Zu dieser Zeit lag tiefer Schnee, und meist blies ein starker Wind. 1920 wurde auch die Kreisstadt polnisch. Im Juli hörte der Unterricht für die deutschen Kinder auf. Der Schuljahrsbeginn wurde auf September verlegt. Wir hatten eine kleine Privatschule, die bis Untertertia reichte. 1921 Umzug nach Schlesien. Wohnort an der Grenze von Nieder- und Oberschlesien. Schulweg zum Gymnasium nach Oppeln: 3 km bis zum Bahnhof, 30 km Bahnfahrt mit einer halben Stunde Aufenthalt durch Kontrolle von Italienern oder Franzosen. Die Hälfte der Schulen war von Besatzungstruppen belegt. Wir hatten an drei Tagen vormittags, an drei Tagen nachmittags Unterricht.


Am Mittwoch sah das so aus:
Abmarsch zum Bahnhof um 9.15 Uhr, Ankunft auf dem Bahnhof in Oppeln gegen 11 Uhr. Schularbeitenmachen im Wartesaal oder Schlagballspielen und Fußball vor dem Bahnhof bis 14 Uhr, Schulbeginn um 14.30 Uhr, Ankunft zu Hause gegen 20.30 Uhr. Am Donnerstag Abmarsch von zu Hause um 6 Uhr zum Vormittagsunterricht. Während des Aufstandes in Oberschlesien wurden die Eisenbahnbrücken gesprengt, und wir konnten einige Zeit daheim bleiben. 1923 Umzug in die Nähe von Breslau. Fahrt zum Gymnasium 12 km mit dem Fahrrad, auch bei tiefem Schnee und 20° Kälte. 1926 in Breslau Abitur. Vielleicht interessiert es doch diesen oder jenen, wie man in der "guten alten Zeit" zur Schule ging.
Dann Studium in Breslau und Freiburg, Staatsexamen in Breslau. Referendar in Glogau und Breslau. Assessorenprüfung 1933. Bezahlte Arbeit gab es für Assessoren damals nicht. Die meisten gaben 12 Stunden Unterricht ohne Bezahlung. Ich ging ein Jahr an ein Landeserziehungsheim. Dann war ich 5 Jahre in Sofia bis 1939, anschließend als Leiter der Schule in Warna am Schwarzen Meer bis 1944. Nach dem Kriege kam ich in die Urheimat meiner Väter, an den Niederrhein. 


Als Beispiel für den damaligen Schulbetrieb mein erster Sonntag an der Schule in Sofia im September 1934: Ich war Klassenleiter einer Quarta mit 56 Jungen und Mädchen. In der Klasse waren zwei deutsche Kinder, die anderen Bulgaren, Griechen, Armenier und Türken, auch ein Holländer war dabei. Am ersten Samstag in Sofia fragten mich meine Schüler: "Herr Barten, gehen Sie mit uns am Sonntagmorgen auf den Witosch?" Das ist ein Berg von 2300 m Höhe, der von Sofia mit der Straßenbahn zu erreichen ist. Die Quartaner sorgten für 2 Extra-Straßenbahnwagen. Alle waren Sonntag um 8 Uhr da. Für mich war immerhin unerwartet, als gleich ein Singen anfing. Die kleinen Bulgaren, Türken, Armenier und Griechen brüllten alle aus Leibeskräften "Lippe-Detmold, eine wunderschöne Stadt ... er raufte sich den Bart ritsch ratsch." Dann waren wir den ganzen. Tag zusammen im Gebirge. Laufen konnten die Jungen und Mädchen ausgezeichnet. Müde Krieger wie bei uns gab es niemals.


1. Abitur in Sofia. Beginn morgens um 7 Uhr. Der Steinboden des Prüfungsraumes war mit Wasser begossen worden, damit es kühler werden sollte; denn wir hatten um diese Zeit bereits 32°. Wir alle eisern in schwarzen Anzügen. Dauer des Abiturs: eine ganze Woche. Jeder Schüler wurde in allen wissenschaftlichen Fächern geprüft vor einem deutschen und einem bulgarischen Prüfungskommissar. Die Lehrer waren durchschnittlich 30 Jahre alt und hielten das aus. 
Sonntags war man mit einer Klasse im Gebirge, oder eine .Gruppe von Lehrern fuhr in die Berge. In den Ferien reiste man durch die Balkangebirge oder nach Griechenland, in die Türkei, nach Ägypten. "Vielleicht verwundern euch manche Seltsamkeiten eures Direktors weniger, wenn ihr ein bißchen von seiner Vergangenheit wißt."

 

Die Disziplin der Schüler und Schülerinnen
aus "Unsere Schulgemeinde", November 1959

Disziplin auf der Straße 
"Bestrafen Sie doch meinen Sohn kräftig!" So hört man es häufig von den Eltern! "Die Schüler und Schülerinnen benehmen sich flegelhaft. Sie schreien und drängen im Bus und auf der Straße, sie gehen in Rotten daher und rempeln Erwachsene an, Straßenüberwege überqueren sie betont langsam! Ist die Schule denn unfähig, die Jungen und Mädchen zu erziehen? Sind die Lehrer so weltfremd, daß sie nicht sehen, was ihre Schüler treiben? Oder sind sie zu bequem, sich um die Schüler zu kümmern?" 
Die Schule hat selten Gelegenheit, bei solchen Gesprächen dabei zu sein und eine Antwort zu geben. Deshalb sei hier dazu Stellung genommen. 
Das Erziehungsrecht der Schule erlischt, wenn die Schüler und Schüler innen das Schulgebäude verlassen haben. Die Schule kann niemanden belangen oder bestrafen, der außerhalb der Schule Anlaß zu Klagen gibt! Das sollten alle Erwachsenen wissen! Natürlich hat die Schule das größte Interesse daran, daß die Jungen und Mädchen sich in der Öffentlichkeit ordentlich betragen; sie kann den Schülern aber nur zureden. Was nützt aber Zureden bei einem Fünfzehnjährigen, der das Bedürfnis hat, seine Mißerfolge in der Schule durch flegelhaftes Benehmen auf der Straße zu kompensieren und so zu zeigen, was für ein Kerl er in Wirklichkeit ist! Ungehörig benommen haben sich die Schüler und Schülerinnen auch in früheren Jahren; stets gab es Erwachsene, die für solche Streiche und auch für Flegeleien Verständnis hatten, andere schimpften auch früher nicht weniger über die Jugend als heute. Aber früher wußten die Jugendlichen, daß sie damit rechnen mußten, energisch bestraft zu werden! Wie soll ein Junge seinen Trieb zum Angeben eindämmen, wenn er keinerlei Widerstand sieht, der seinem Treiben entgegengesetzt wird?
Die Öffentlichkeit muß wissen: Verantwortlich für das Benehmen der Schüler und Schülerinnen auf der Straße sind die Eltern. Das Recht zum Strafen - und damit wohl auch die Pflicht zum Strafen - haben nur die Eltern und die Polizei. Die Schule kann den Jungen und Mädchen nur gut zureden und die Eltern bitten, ihre Söhne und Töchter durch Hausarrest, Entzug des Taschengeldes und anderer Vergünstigungen (z. B. Kino, Baden, Tanzen) zu veranlassen, sich besser zu benehmen.
Die Schüler beachten die Verkehrsregeln nicht! Glaubt wirklich ernstlich jemand, daß unsere halb erwachsenen Jungen und Mädchen die Verkehrsregeln deshalb nicht beachten, weil diese nicht ständig in der Schule abgefragt werden? Zum Teil geschieht es aus Gedankenlosigkeit. Aber sollte es wirklich noch Ahnungslose geben, die nicht wissen, daß Halbwüchsige die Verkehrsregeln mißachten, obgleich sie sie kennen oder sogar weil sie sie kennen, besser kennen als viele Erwachsene? Es ist doch so einfach, auf diese Weise vor den Kameraden oder vor den Mädchen oder vor sich selbst anzugeben! Und die Mädchen, weshalb achten sie denn nicht auf die Verkehrsregeln? Doch nicht weil sie unwissend sind! Wenn sie dem Druck der Schulstube entronnen sind - vor allem dann, wenn sie streng gehalten wurden - dann albern sie eben herum, wie es Mädchen immer getan haben, wenn sie in Grüppchen auftreten. 
Es dürfte allerdings auch für einen Polizeibeamten nicht einfach sein, so schlimme Übertretungen der Verkehrsordnung festzustellen, daß er mit Strafen vorgehen müßte. Schließlich haben die Polizeibeamten täglich schlimmere Sorgen. 

Strafen in der Schule

Auch darüber haben die Erwachsenen seltsame Vorstellungen. Welche Möglichkeiten haben wir an der Jungenschule? 

a)      Die Eintragung ins Klassenbuch. Da steht dann: Hans Fleißig hat seine Schulaufgaben wiederholt nicht angefertigt. Paul Stumm stört den Unterricht trotz Ermahnung. Fritz Fromm schreibt während der Religionsstunde die Rechenaufgaben ab. Für den dickfelligen Jungen ist das kaum eine Strafe; für die Schule ist es immerhin ein "Aktenvermerk" . Wir schreiben solche Eintragungen dann am Ende des Halbjahres ins Zeugnis. Manchmal bekommt der Junge dann Prügel, und das Mädchen darf zweimal nicht ins Kino gehen! Besonders groß ist der Erfolg eines Zeugnisvermerkes  "Hans mußte wegen Flegelhaftigkeit, Unordnung und mangelnden Fleißes zehnmal ins Klassenbuch eingetragen werden" dann, wenn der Vater daraufhin fröhlich erklärt: "In Deinem Alter habe im es aber auf 25 Eintragungen gebracht!"

b)      Wenn der Fritz schon ins Klassenbuch eingetragen worden ist und sich wieder flegelhaft benimmt, wird er mit einer Stunde Arrest bestraft, d. h. er muß eine Stunde nachsitzen und den Eltern wird das schriftlich mitgeteilt.

c)      Erscheint nur der Lehrer zu diesem Arrest, der Schüler geht während der angesetzten Zeit aber zum Baden, so tritt die Klassenkonferenz zusammen, d. h. 12 bis 15 Lehrer und Lehrerinnen, und beschließt, daß Fritz mit 2 Stunden Arrest bestraft wird. Dem Fritz macht es erfahrungsgemäß nicht allzuviel aus, wenn er 2 Stunden nachsitzt. 

Wir wissen ganz genau, daß der Wert solcher Strafen fragwürdig ist. Unangenehm werden die Hinweise im Zeugnis nur dann, wenn man dieses bei einer Bewerbung um eine Lehrstelle vorlegen muß. Dann setzt die Invasion der Väter in der Schule ein! Im Abgangszeugnis dürfen solche Vermerke natürlich nicht stehen und das mit Recht. Denn sonst wird ein Dreißigjähriger vielleicht in einem Betrieb nicht angenommen, weil er sich als Fünfzehnjähriger nicht gut benommen hatte, selbst wenn er inzwischen der korrekteste Mensch geworden ist. 
Diese Strafenfolge steht aber nur der Jungenschule zur Verfügung, die Mädchenschule muß mit weniger "Strafen" auskommen. Da gibt .es keinen Arrest. An seine Stelle tritt ein Brief, der auf Beschluß der Klassenkonferenz (12 bis 15 Lehrer und Lehrerinnen müssen dazu zusammenkommen) von der Direktorin an die Eltern geschrieben wird und etwa so lautet: "Die Klassenkonferenz mißbilligt das Verhalten Ihrer Tochter Irmgard schärfstens und hat mich beauftragt, Ihnen dies mitzuteilen." Hat dieser Brief noch besondere Wirkung, wenn der Vater oder die Mutter schon vorher bei mündlichen Besprechungen erklärt haben, daß sie das Verhalten ihrer Irmgard durchaus nicht als ungehörig ansehen und daß der Schule nur das Verständnis für die Jugend fehle?

Natürlich gibt es umgekehrt auch Eltern, die ihre Kinder viel zu hart strafen, wenn die Schule sich an sie wendet. Wenn wir das wissen, so vermeiden wir den Brief an die Eltern. Mit solchen Kindern, die von den Eltern streng gehalten werden, haben wir zudem meist wenig Kummer hinsichtlich des Betragens. Mit diesen "Schulstrafen" bekämpfen wir alle die Unarten, die nun einmal ständig vorkommen, wenn man so viele Kinder beisammen hat. Wie weit sie wirksam werden, hängt ausschließlich davon ab, welche Folgerungen die Eltern ziehen. 
Was kann die Schule unternehmen, wenn etwas geschieht, was nach Ansicht des Klassenlehrers oder einiger Lehrer nicht mehr als Unart abgetan werden kann? Was kann die Schule unternehmen, wenn etwa ein Schüler im Laufe von 6 Monaten dreimal je 14 Tage geschwänzt hat und zwischendurch auch noch ab und zu einen Tag? Soll sie das als Unart abtun, die mit den genannten Schulstrafen geahndet werden kann? Die anderen Schüler müssen dann zu der Auffassung kommen, daß das auch nicht schlimmer ist als Vorsagen oder Abschreiben oder Stören des Unterrichts durch Schwätzen. 
Was tut die Schule, wenn Jungen aus dem Schlafsaal der Jugendherberge aussteigen, ein Auto organisieren und in die nächste Stadt zum Tanzen fahren? Was tut sie, wenn die Jungen dabei einen Unfall verursachen? Was tut sie, wenn sie heil wiederkommen? Ist das eine Unart, die man nur mit den aufgeführten "Schulstrafen" ahnden darf? 
Was tut die Schule, wenn einige 15jährige Raudis einen 10-Jährigen in eine Mülltonne einsperren und diese in eine Kellerecke schleppen, damit der Eingesperrte nicht so bald gefunden wird? Bestraft man .das mit Arrest und dokumentiert damit, daß das nur Unarten sind?

Was tut man, wenn ein 12jähriges Mädchen wochenlang aus den Manteltaschen Geld gestohlen hat? Kann man das als Unart abtun und mit der schwersten der genannten Strafen ahnden: nämlich mit einem Brief an die Eltern, der von der Klassenkonferenz beschlossen wird? 
Was soll man tun, wenn drei Mädchen in der Jugendherberge nachts heimlich aussteigen und zufällig die gleiche Zahl von Jungen auf der Straße treffen und mit diesen die Nacht außerhalb der Herberge verbringen? Ist das weniger schlimm als Diebstähle aus den Manteltaschen oder als Schuleschwänzen? Sind das alles nur Unarten? Kann man diesen Jungen und Mädchen und den anderen der Klasse bescheinigen, daß es sich nur um harmlose Unarten gehandelt hat, indem man sie mit dem oft zitierten Brief an die Eltern bestraft?

Ist so etwas zu entschuldigen mit dem Einwand: "Es war keine Aufsicht da"? Gibt es nicht Dinge, die ein Junge und ein Mädchen auch dann nicht tun dürfen, wenn kein Erwachsener sie gerade beaufsichtigt? Setzen wir nicht durch unsere Strafen Normen, die sagen, das war noch eine Unart und das war mehr als eine Unart und muß deshalb wirksamer bestraft werden? Können sonst nicht die betroffenen und nichtbetroffenen Schüler ung Schülerinnen den rechten Maßstab verlieren?

Was tut die Schule in solchen Fällen? 
Die Gesamtkonferenz tritt zusammen, d. h. an unserer Jungenschule etwa 27 Lehrer und Lehrerinnen, an der Mädchenschule etwa 20. Diese Gesamtkonferenz kann beschließen:

1.      Die Entlassung aus der Schule. D. h. der Junge oder das Mädchen müssen die Schule verlassen, dürfen aber eine andere höhere Schule besuchen. In der Regel hilft die entlassende Schule dabei, die Entlassenen in benachbarten Schulen unterzubringen. Im dichtbesiedelten Ruhrgebiet ergeben sich kaum Schwierigkeiten, benachbarte Schulen helfen sich meist gegenseitig. Vielfach nehmen die Eltern ihre Kinder schon vor der offiziellen Entlassung aus der Schule. Die Entlassung wird dem Schulkollegium als der vorgesetzten Behörde nur gemeldet. Die vorgesetzte Behörde kann den Konferenzbeschluß nicht aufheben.

2.      Als nächstschwerere Strafe folgt die Androhung der Verweisung. Auch diese wird von der Gesamtkonferenz beschlossen. Sie bedarf der Bestätigung durch das Schulkollegium.

3.      Schließlich folgt die Verweisung von der Schule. Auch sie wird von der Gesamtkonferenz beschlossen. Sie bedarf ebenfalls der Bestätigung durch das Schulkollegium. Wer damit bestraft ist, darf keine höhere Schule des Bundesgebietes besuchen. Die Namen der Bestraften werden allen höheren Schulen mitgeteilt, die Gründe für die Bestrafung nicht. 

Ab und zu sieht sich jedes Kollegium gezwungen, diese Strafen auszusprechen und zwar immer dann, wenn die Mehrheit der Konferenz - d. h. von mindestens 20, oft aber 40 oder 60 Lehrern, zu dieser Auffassung gekommen ist. Es ahnt kaum jemand, der nicht selbst Lehrer ist, mit welcher Sorgfalt solche Beschlüsse gefaßt werden und welche bürokratische Mühe damit verbunden ist. Die Zeit und Kraft, die ihre Durchführung kostet, möchte die Schule lieber für die ordentlichen Schüler aufwenden. Jede Konferenz ist sich klar darüber, daß sie mit einem Einspruch der betroffenen Eltern beim Verwaltungsgericht rechnen muß und damit mit sehr zeitraubenden und aufreibenden Verhandlungen, ja auch mit einem Aufheben des Konferenzbeschlusses durch das Verwaltungsgericht, das ja nicht nach erzieherischen Gesichtspunkten entscheidet. 

Wenn die Schule aus Furcht vor den Urteilen des Verwaltungsgerichts oder auch allein wegen der mit diesen Strafen verbundenen ungeheuren Sonderarbeit auf ihre Anwendung verzichtet, dann erst hat die Öffentlichkeit ein Recht, den Lehrern mangelnden Erziehungswillen vorzuwerfen. Wenn ein Verwaltungsgericht nachträglich die Strafe aufhebt - weil nach Ansicht des Gerichtes Formfehler unterlaufen sind - so wird die Schule an einem solchen Urteil natürlich keinerlei Kritik üben. Sie muß es dann dem Gericht überlassen, die Verantwortung dafür zu übernehmen, wenn die Schülerschaft zu der Auffassung kommen muß, daß die betroffenen Schüler oder Schülerinnen nur harmlose Ungezogenheiten begangen haben. Wir wissen, daß die meisten Eltern froh sind, wenn sich die Schule einmal zu einer energischen Maßnahme entschließt. Allerdings pflegen diese zustimmenden Äußerungen nicht in die Öffentlichkeit zu kommen. In die Öffentlichkeit kommen vielmehr die Stimmen derer, denen die Schule es in diesem Falle nicht recht gemacht hat und die nun wieder über die weltfremden Schulmeister herziehen, die kein Verständnis für die Jugend haben. Wir können uns dadurch nicht beeinflussen lassen. Nur sehr selten haben wir das Recht, wirksame Strafen zu beschließen; wir meinen, daß wir dann aber auch die Pflicht haben, diese Strafen nach sorgfältiger Überlegung zu verhängen.
Diese Ausführungen sollten aber darüber hinaus der Öffentlichkeit klarmachen, daß die Schule in den meisten Fällen, die nach außen hin Ärgernis erregen, kein Recht hat, dagegen vorzugehen. Meistens dürfen wir Lehrer nur gut zureden.
Dr. Barten