Verabschiedung
von Studiendirektor Kruft Sehr
geehrte Gäste, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Schülerinnen und
Schüler! Musikalisch
umrahmte Feierstunden in einer mit Blumen geschmückten Aula sind in der
heutigen Zeit zu einer Seltenheit geworden und erscheinen nur dann noch
angebracht, wenn ein außergewöhnlicher Grund vorliegt. Selbst die
Entlassung der Abiturienten, die ganz selbstverständlich den Höhepunkt
im Schuljahr eines Gymnasiums bedeutet, erforderte oder rechtfertigte
zumindest in den Augen der diesjährigen Abiturienten keinen solchen
Aufwand. Uns Älteren, und damit meine ich die Eltern unserer Schüler,
die ehemaligen und jetzigen Kollegen und die Freunde der Schule, will dies
nicht in den Sinn. Wir freuen uns, eine vom Orchester mitgetragene
Feierstunde zu erleben, auch wenn der Anlaß kein fröhlicher ist. Wir
haben Sie, meine Damen und Herren, eingeladen, weil wir einen Lehrer und
Kollegen verabschieden wollen, der über 30 Jahre lang an unserer Schule tätig
war. Herr StD Oskar Kruft scheidet am heutigen Tage aus gesundheitlichen
Gründen vorzeitig aus dem Schuldienst aus. Ihn, als den langjährigen
Leiter von Chor und Orchester, ohne musikalische Darbietungen ausscheiden
zu lassen, wäre nicht denkbar. So darf ich Sie, verehrte Anwesende, zu
dieser Feierstunde herzlich willkommen heißen. Ich begrüße auch die
Vertreter der Presse, die über die Verabschiedung von Herrn Kruft
berichten werden. Herr Kruft
wurde im Juli 1915 als erster Sohn eines Markscheiders in Bochum geboren,
kam aber schon als kleines Kind mit der ganzen Familie nach Rheinhausen.
Hier besuchte er von Ostern 1921 ab die Volksschule Auf dem Berg, und da
er ein guter Schüler war, trat er nach überspringen einer Klasse bereits
im Jahre 1924 in die Sexta der damaligen Realschule ein, deren Ausbau zur
Oberrealschule noch im gleichen Jahr beschlossen wurde. An dieser
Oberrealschule, dem Vorgänger des späteren Math.-Nat. Gymnasiums,
bestand Herr Kruft im Jahre 1933 das Abitur. Die Zweitschrift seines
Reifezeugnisses befindet sich noch heute bei den Akten der Schule und trägt
die Nummer 68. Von Ostern 1933 bis Ostern 1938 studierte Herr Kruft Musik
und Englisch in Berlin. Sein erstes Vorbereitungsjahr für das Lehramt an
Gymnasien absolvierte er an der Schäfer-Voss-Oberschule in Krefeld, das
zweite Vorbereitungsjahr an der Helmholtz-Oberschule
in Essen. Am 1. 4. 1940 wurde er zum Studienassessor ernannt. Es folgte
eine halbjährige Tätigkeit als vollausgebildeter Lehrer an der Möller
van den Bruck-Oberschule in Solingen, bevor er am 1.9. 1940 zur Wehrmacht
einberufen wurde. Als Soldat waren ihm verschiedene Schulen als
Stammanstalt zugewiesen, bis er am 1. 4. 1943 zum StR ernannt und in eine
Planstelle an der hiesigen Oberrealschule eingewiesen wurde. Seine Tätigkeit
als Lehrer dieser Schule konnte er allerdings erst nach dem Kriege
aufnehmen. Zum Glück
entging Herr Kruft der Kriegsgefangenschaft, so daß er der Schule schon
Ende Mai 1945 zur Verfügung stehen konnte. Da das Schulgebäude an der
Schwarzenberger Straße von den Amerikanern besetzt war, konnte der
Unterricht nicht gleich beginnen. Herrn Kruft's Tätigkeit bestand für
einige Monate aus Kartoffelkäfersammeln und aus der Wahrnehmung weiterer
Aufgaben, die nicht unbedingt pädagogischer Art waren. Immerhin fanden
gelegentliche Lehrerkonferenzen statt, in denen der Wiederbeginn des
Unterrichts vorbereitet wurde, und als die Amerikaner das Schulgebäude
geräumt hatten, konnte dann auch Mitte Oktober der eigentliche
Unterricht, wenn auch unter äußerst schwierigen Bedingungen, einen neuen
Anfang nehmen. Ostern 1949
war die Markuspassion von Schütz die erste größere Choraufführung.
Dann folgte ein Jahr später zum Bachjubiläum ein umfangreicheres
Bachkonzert mit Werken für Chor und Orchester, und kurz vor Ostern 1953
kam es anläßlich des 25jährigen Jubiläums des ersten Abiturs zur
Festaufführung der Jugendoper "Die Wunderuhr" von Eberhard
Werdin, nach einem Märchen von Hans-Christian Andersen, bei der sich alle
musisch gestalterischen Kräfte von Schülern und Lehrern voll entfalten
konnten. Herr Gerth hatte die Spielleitung, Herr Dr. Deneke sorgte mit
Frau Burmeister und Frau Gerber für Ausstattung und Kostüme, und Herr
Kruft hatte die musikalische Leitung. Es muß sich damals um einen
bemerkenswerten Erfolg gehandelt haben, denn als ich Ostern 1954 als
Referendar an diese Schule kam, wurde noch immer von dieser Aufführung
gesprochen. Inzwischen war es üblich geworden, daß regelmäßig etwa
drei Aufführungen pro Jahr für den kleinen und den großen Chor, für
das Orchester und die Kammermusiker stattfanden, wobei Herr Kruft im
wesentlichen auf sich allein gestellt war. Erst 1957 kam mit Herrn Kremer
ein zweiter und sehr tüchtiger Musiklehrer an die Schule, so daß Herr
Kruft entlastet werden konnte. Der
Musikerzieher steht in der Schule vor keiner einfachen, aber lohnenden
Aufgabe. Sie lohnt sich einmal der Schüler wegen, die durch einen guten
Musikunterricht vor einer einseitigen intellektuellen Ausbildung bewahrt
werden und Werte erfahren und erkennen, die für ihre seelische
Entwicklung von besonderer Bedeutung sind. Nichts beeinflußt das Gemüt
des Menschen so sehr wie die Musik. Und sicher gehen die wertvollsten
Impulse von der guten Musik aus, zu der vor allem auch die Werke der großen
Meister der vergangenen Jahrhunderte gehören. Diese klassische Musik
wirkt aber sehr oft nicht ohne weiteres auf die Menschen. Je geschulter
das Gehör und je größer das Wissen um Aufbau und Struktur des Werkes
und die Besonderheit der verwendeten künstlerischen Mittel, um so
intensiver sind Freude und Genuß beim Hören, und um so größer wird
auch die Bereitschaft, selbst zu singen oder zu musizieren, falls eine
ausreichende Begabung hierzu gegeben ist. Diese musikalischen Begabungen
zu entdecken, gehört auch zu den Aufgaben des Musiklehrers. Er muß
erkennen, wer sich unter seinen Schülern für die Mitwirkung in Chor oder
Orchester eignet und ggf. mit den Eltern zusammen dafür sorgen, daß die
Betreffenden zusätzlich Unterricht erhalten, um das Spielen eines
Instrumentes zu erlernen bzw. zu vervollkommnen. Nur dadurch ist es möglich,
Chor und Orchester am Leben zu erhalten und den aktiv Beteiligten durch
ihre Selbsttätigkeit einen besonderen Zugang zur Musik zu verschaffen,
der ihnen im allgemeinen für ihr ganzes Leben eine besondere Freude an
jeder guten Musik garantiert. Einen leistungsfähigen Chor und ein gutes
Orchester zu schaffen, ist schwer. Hier muß der Musiklehrer viel Geduld
aufbringen. Alle Beteiligten müssen immer wieder allein und gemeinsam üben.
Den zaghaften, aber möglicherweise recht begabten Schülern muß der
Lehrer Mut machen, die Mutigen, vielleicht weniger Begabten muß er zügeln,
und alles muß auf eine Weise geschehen, daß die Freude an der Sache
nicht verloren geht. Dazu bedarf es der bereits erwähnten Beharrlichkeit
und eines besonderen Taktes seitens des Lehrers, wenn sich schließlich
der Erfolg einstellen soll, der dann allerdings sowohl den Schülern wie
auch dem Lehrer viel Freude, persönliche Genugtuung und Lob und
Anerkennung seitens der Zuhörerschaft einbringt. Sie,
verehrter Herr Kruft, gehören zu den Musikerziehern, die in dieser
Hinsicht äußerst erfolgreich waren. Sie haben mehreren Schülergenerationen
die Freude an guter Musik vermittelt, indem Sie zu aktiver Mitarbeit in
Chor und Orchester veranlaßten. Viele ihrer ehemaligen Schülerinnen und
Schüler werden auch heute noch singen und musizieren und sich dankbar an
all das erinnern, was sie bei Ihnen lernen durften. Sie haben durch Ihren
Musikunterricht und durch Ihre Arbeit mit Chor und Orchester dafür
gesorgt, daß die seelische Entwicklung unserer Schüler in gesunden
Bahnen verlief, und Sie haben durch die vielen Musikveranstaltungen
mitgeholfen, den Gymnasien Ansehen in der Öffentlichkeit zu verschaffen.
Sie sind für Ihre besonderen Leistungen 1963 zum OStR und 1973 zum StD
befördert worden. Damit fand Ihre Arbeit auch offiziell Anerkennung.
Wichtiger scheint mir allerdings der Dank und die Anerkennung Ihrer Schüler
und Ihrer Kollegen und der Schule überhaupt, für die Sie mehr als 30
Jahre lang tätig waren. Wir alle bedauern es sehr, daß Ihnen Ihr
Gesundheitszustand die Fortsetzung der so erfolgreichen Arbeit nicht
erlaubt. |